Bub sei g’scheit und studier… nicht

Langsam wirds ja dann schon fad über die Probleme des Durchschnittsstudenten 2.0 zu lesen, oder? Keine Angst, ich hab eh auch andere Themen, die nur darauf warten, gebloggt zu werden. Aber die meisten werden wohl in der Lade verstauben. Wieso?
Die Uni hat begonnen, ich hab wie immer tolle Lehrveranstaltungen und bin top motiviert, mich über Literatur, Webseiten, Forschungen, Kameras und andere Utensilien zu schmeißen. Also wenig Zeit für Blogbeiträge, die sowieso keiner liest.

Leider bin ich wohl die letzte Generation, die noch etwas Spaß und Motivation am Studium haben kann.

Als absoluter Allrounder, dessen Interessen, sollte ich sie kurz erläutern müssen, sich rund um Journalismus, neue Medien, Forschung, Psychologie, Musik, Foto und Film drehen habe ich mein Studium, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, aufgrund meiner hohen Affinität zu diesem Fach, der Diversität der Ausbildung und der relativen Wahlfreiheit von Lehrveranstaltungen gewählt.
Seit ich nun studiere wird stetig am System herumgepfuscht (Danke, Herr Hahn) und plötzlich geht es nicht mehr darum, nach seinen Forschungsinteressen zu studieren, sondern irgendwie, möglichst schnell, durchzukommen.

Oft werden die Studenten kritisiert, weil der Trend zum Stressstudium in Rekordzeit geht. Doch es ist das Wissen, dass einem der dunkle Schatten der Verbürokratisierung nacheilt, dass einem heutzutage antreibt.

Eine kleine Timeline (on the fly, direkt aus meinem Kopf) über die wichtigsten Ereignisse der jüngsten Vergangenheit:

2004: Das Bologna-System ereilt die Publizistik. Der Bachelor/Master wird eingeführt. Das Studium dauert nun ein Jahr länger, dafür wird das alte, 4- Jahre Diplomstudium, in die 3 Jahre Bachelor gequetscht, damits keine halbe Ausbildung wird. Ein bekanntes Problem in der Umstellungsphase.

2006: eine neue Version des Bachelor wird eingeführt. Grundlagen dominieren nun den Bachelor.

2007: Die Aufnahmeprüfung wird eingeführt. Ich beginne mein Studium. Durch das neue System melden sich wie durch Geisterhand etwa 300 Studenten wieder ab und keiner muss abbrechen, wenn er überall positiv war.

2008: Die Aufnahmeprüfung wird abgeschafft, dafür kommt das Modulsystem. Man muss im ersten Semester alle vorgeschriebenen Prüfungen positiv haben, damit man im zweiten Lehrveranstaltungen besuchen darf, dann im zweiten alle vorgeschriebenen Prüfungen positiv haben, bevor man überhaupt andere Fächer besuchen darf. Wenn man also im ersten Semester eine Prüfung verhaut, verliert man ein ganzes Jahr.

2009: verpflichtende Studieneingangsphasen, Studiengebühren werden teilweise abgeschafft, die Wahlfächer werden stark eingeschränkt (Erweiterungscurricula statt WAHLfächer), vereinheitlichte Anmeldung mit Punktesystem, Einschränkung der zulässigen Studierendenzahlen in Lehrveranstaltungen (zB. 250 statt 1000, 220 statt 550), Pflichtlehrveranstaltungen für die es 0 (null) ECTS gibt, neue Uni-Gesetznovelle, Verbot Prüfungsbögen zu kopieren, NC-Möglichkeit für Bachelor, Zugangsbeschränkung für Master und Doktoratstudien, Schwächung des Mitspracherechts der Studentenvertretung

Man sieht also – der Trend geht zur Gleichschaltung und zur Einflussnahme von Lobbys und Politik ins Universitätssystem. Vorbei sind ab sofort die Zeiten, an denen man sich Studienpläne frei und nach Forschungsinteresse zusammenstellen konnte. Es geht nicht mehr um Forschung und Bildung – nur noch um schnelle systematische Ausbildung in acht Geschmacksrichtungen.

Die Ausrede der Politik? Man werde von ausländischen, zumeist Deutschen Studenten überschwemmt und muss dem entgegenwirken.
Kommt man auf die Idee, eine vorausschauende Bildungspolitik zu betreiben, vielleicht ein bilaterales Abkommen mit Deutschland zu erarbeiten? Die Chance zu nutzen und Österreich als Bildungs- und Forschungsland zu etablieren? Jedem die Möglichkeit bieten, sich fortzubilden? Geld in das wichtigste Gut der heutigen Gesellschaft, die Bildung, zu investieren?

Nein. Man erschwert das System lieber für alle Studenten, indem man die Zugänge restriktiert und das System so kompliziert macht, dass man schon fast ein eigenes Studium braucht, um den Mikrokosmos Uni zu verstehen.

Ich bin froh, einer der letzten zu sein, die noch halbwegs ihren eigenen Interessen folgen konnten.
These times are over

6 Responses to “Bub sei g’scheit und studier… nicht”

  1. Fabian says:

    Also Dein Blog wird gelesen, zumindest hab ich gerade Deinen Artikel gelesen. 😉 Find ihn auch gut: Es wird tatsächlich immer schwieriger zu studieren. (ich habe im selben Jahr wie Du begonnen PuKW zu studieren)

    Allerdings: Die Politik ist Schuld, ein bilaterales Abkommen mit Deutschland – und alles ist wieder eitle Wonne; Da hast Du es Dir schon verdammt einfach gemacht!

    Denn haben die Deutschen überhaupt ein Interesse an einem “bilateralen Abkommen”? (Nein, haben Sie nicht) Ist ein bilaterales Abkommen überhaupt so leicht möglich? (Nein, ist es nicht – es muss zumindest gemeinschaftsrechtskonform sein) Außerdem: Warum soll Deutschland für seine Studierenden zahlen, andere EU-Staaten nicht. Warum sollte dann nicht Österreich für seine Studierenden im Ausland blechen? Solche Regeln verstoßen gegen EG-Recht. Also nichts mit bilateralem Abkommen. Außer Deutschland zahlt freiwillig, weil sie uns so gern haben. Das werden sie aber nicht.

  2. nacaseven says:

    Danke für deinen Beitrag!
    Den Post hab ich geschrieben, bevor Deutschland das NEIN zum Abkommen gab. Viele Lösungen wären theoretisch eben leicht. Wieso sollte ein Land nicht für seine Studenten zahlen?
    Ins gesamte Ausland gehen ein paar hundert Österreichische Studenten, von Deutschland kommen tausende – und sie bleiben nach dem Studium nicht. Also muss der Steuerzahler für die Ausbildung von Gästen zahlen.

    Aber darum gehts mir eigentlich gar nicht, denn das große Problem sind die Deutschen auch nicht (vielleicht nächstes Jahr, wenn durch die Gesetzänderung 2 Jahrgänge gleichzeitig maturieren und die Politik wieder vom “unerwarteten” Ansturm “überrascht” wird.

    Zum Nachdenken:
    – Wenn eine Studiengebühr lt. Hahn niemandem in seinem Studium behindert, wieso will er dann plötzlich damit die Studierendenzahlen begrenzen?
    – Wieso wird seit Jahren die niedrige Akademikerquote bemängelt?
    – Wieso die Unis seit Jahren chronisch unterfinanziert?
    – Wieso werden steigende Studierendenzahlen als Bedrohung empfunden?

    Natürlich sind das Probleme, die man akut (und mit dem derzeitigen Wissenschaftsminister) nicht lösen kann, also muss man zwingend die Studierendenzahlen begrenzen, damit man überhaupt mal ausbilden kann.
    Aber bitte nicht mit beschissenen Regelungen (siehe oben), die einen nur demotivieren und das Studium künstlich zur langjährigen Lebensaufgabe machen.
    Zugangsbeschränkungen mittels Punkten bei den STEP-Tests wie bei uns damals sind IMHO okay, weil sich Erfahrungsgemäß soviele “Spaßstudenten” wieder abmelden, dass niemand gehen muss.
    Aber bitte nicht NC, Module, Studiengebühren, Aufnahmetests vor Studienbeginn oder ähnliche schwachsinnige Lösungen.

    ich hoffe, man versteht den Post – hab derzeit ziemlich viel im Kopf zu dem Thema, darum die leicht konfuse Antwort 😉

  3. Fabian says:

    Ich finde die Diskussion sehr spannend und ich denke viele Studierende diskutieren (auch zu nächtlicher Stunde) darüber. 😉

    Ich bin für Studienbeiträge. (natürlich mit Befreiung UND Förderung für Studierenden aus einkommensschwächeren Familien)

    D’Accord sind wir bei Zugangsbeschränkungen. Ich finde NC schwachsinnig, aber Prüfungen für Auswahl ok. Übrigens: Ein Freund von mir macht Fachtutorium und war überrascht, dass bei seinem Tutorium die Mehrheit der Studierenden dafür war!

    Und:

    Wieso sollte ein Land nicht für seine Studenten zahlen?
    Einer der Grundprinzipien der EU ist der freie Personenverkehr. Ich denke, viele von uns und gerade Studenten – habe die Vorteile daraus schon genossen. Das aber jemand freiwillig zahlt, vielleicht weil es irgendwie moralisch geboten scheint, kann man wirklich knicken.

    – Wenn eine Studiengebühr lt. Hahn niemandem in seinem Studium behindert, wieso will er dann plötzlich damit die Studierendenzahlen begrenzen?
    Weil viele sich einfach zum Studium anmelden um die Vorteile wie billigere Öffis-, Museums- und Kinotickets zu erhalten. Kenne sehr viele die das machen. Und sicher: Studierende werden dazu gedrängt, ans Fertigwerden zu denken. Ich weiß, da kann man diskutieren ob das gut ist, aber die ALTE Regelung mit zwei Toleranzsemestern finde ich sehr fair. Man darf nicht vergessen, Studenten kosten dem Staat (also der Gesellschaft) auch Geld, da darf ein zeitliches Limit schon erlaubt sein.

    – Wieso wird seit Jahren die niedrige Akademikerquote bemängelt?
    Ja, das macht vor allem die OECD. Die gleiche lobt aber auch unsere Fachausbildung an den Mittelschule. (ich weiß, das hört man nicht in die Medien – only bad news, are good news. ;-))
    Also sowas wie HTL, wo man nach drei Jahren gar einen Titel bekommen kann (Ing.), gibt es in anderen Ländern nicht. Da beginnt die Spezialisierung erst an den Unis!!! (was wiederum in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausgeprägt ist, die Schweizer z.B. haben ein System, dass sehr mit der Praxis verbandelt ist und haben auch einen geringe Akademikerquote ) Daher ist auch mal zu reflektieren, ob nicht z.B. bei uns HAK, HTL, HLW-Schüler die Jobs machen, die in anderen Ländern Akademiker inne haben. Abgesehen davon habe ich mal mit einem Griechenland-Kenner gesprochen, der meinte, dort gehen die meisten Jugendlichen studieren, aber nur weil sie so keinen Job finden. Also mehr Akademiker = supertoll, gehört auch mal überlegt.

    – Wieso die Unis seit Jahren chronisch unterfinanziert?
    Tja, dass ist ein echtes Problem. Aber einfach zu sagen: Wir brauchen mehr Geld! – reicht nicht. Man denke nur an GB oder USA (oder fast alle anderen EU-Länder!!!), wo die Top-Unis sind, da zahlt ganz einfach der Student alles! (außer er hat ein Leistungsstipendium) DAS System finde ich aber nicht fair und würde es auch nicht in Ö. wollen. Was ich aber damit sagen will: Im VERGLEICH steuert die öffentlichen Hand in Ö. extrem viel bei.

    – Wieso werden steigende Studierendenzahlen als Bedrohung empfunden?
    Eins ist sicher: Auch wenn wir manch unterschiedliche Ansichten haben, wir beide finden, dass das Studieren immer schlimmer wird. Das der Unterschied zw. Lehrenden und Lernenden eine Katastrophe ist, und uns alle betrifft. Und selbst wenn die Unis mehr Geld bekommen, man kann nicht einfach so mal ein neues Auditorium Maximum bauen und überhaupt neue Gebäude aus dem Boden stampfen, oder sofort hundert neue Professoren anstellen. Weil das braucht 1. Zeit und ist 2. sicher unfinanzierbar. Jede Gesellschaft die über ihre Verhältnisse lebt, wird irgendwann große Probleme bekommen.

  4. Fabian says:

    P.S.: Dein Titel “Bub sei g’scheit und studier… nicht” ist super! 😉

  5. […] endlich genug von den Einschränkungen, schwachsinnigen Anmeldesystemen, Voraussetzungsketten, stetig wachsendem Einfluss der Politik und vielen weiteren Punkten. Die Generation Praktikum, die mutmaßlich lieber schnell ausgebildet, als umfassend gebildet […]

  6. […] Ich denke, man muss nur mal aus seiner stoischen Haltung, indoktriniert vom Bologna-System erwachen um auch wirklich für sich selbst zu studieren und nicht nur für den Arbeitsmarkt. Durch die letzte Verschärfung im Studienplan muss man sich halt eine andere Möglichkeit einfallen lassen, das zu tun – denn „Wahlfächer“ sind ab sofort fix vorgeschrieben. […]

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